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Menschen- und Weltbild

Schon in den wenigen bisherigen Blogeinträgen hat sich gezeigt, dass man nicht über den Menschen (Gesellschaft, Organisationsformen, Ethik) reden kann, ohne über den Menschen (eben den) zu reden.

Ich halte es deswegen für zielführend einfach mal "kurz" mein Bild vom Menschen und der Welt in der er lebt vorzustellen.

Dies macht die Diskussion mit mir wahrscheinlich einfacher, weil mir entweder bereits Fehler in diesem grundlegenden Bereich nachgewiesen, oder aber in späteren Ausführungen Widersprüche zu diesen Punkten aufgezeigt werden können.

Also los:

Der handelnde Mensch1

Jeder Mensch handelt, d.h. jeder Mensch hat Ziele und verfolgt diese durch aktives Eingreifen in die Welt2.

Welche konkreten Ziele - wir können auch sagen: Wünsche, Zwecke, Präferenzen - ein Mensch hat ist ungewiss. Dies weiß nur der betreffende Mensch selbst (wenn überhaupt).

Und diese Ziele unterliegen keinerlei Einschränkung. Ich gehe nicht, wie vielleicht von einem "Marktwirtschaftler" gemeinhin angenommen wird, davon aus, dass jeder Mensch nach materiellem Reichtum strebt. Ich behaupte nicht, dass alle Menschen nach diesen oder jenen Zielen streben, um darauf dann mein Bild vom Menschen aufzubauen:
"Die moderne Nationalökonomie [...] geht nicht von dem Handeln des Geschäftsmannes oder eines fiktiven homo oeconomicus aus, sondern von dem jedermanns. Sie umfasst alles Handeln, mag es egoistisch oder altruistisch sein, mag es nach Idealem oder nach Gemeinem streben. Sie begreift in derselben Weise das Handeln des Sparsamen, Berechnenden, Vorausschauenden wie das des Verschwenders, des Leichtsinnigen und des nur auf das Heute Bedachten. Sie begreift alles menschliche Handeln, nicht nur das eines bestimmten menschlichen Typus." [Mises1940, S. 59-60]
Wenn ich nun zwar auch nicht von einem egoistischen, nur auf seinen materiellen Vorteil bedachten Mensch ausgehe, so doch gewiss von einem allwissenden und stets "rational" seine Ziele verfolgenden Menschen? Die Antwort darauf ist nein. Ich gehe von einem mit begrenztem Wissen ausgestatteten und für Fehler anfälligen Menschen aus.
Natürlich hat in diesem Menschenbild auch das egoistische, allwissende, unfehlbare Genie seinen Platz - so unmöglich dessen Existenz auch ist - aber eben auch jeder andere handelnde Mensch.
"Wir konstruieren keinen homo oeconomicus und keine Idealmenschen, sondern wir nehmen den Menschen so, wie er ist. Dieser Mensch verfügt nur über unzureichende Einsicht und nur über beschränktes Wissen, er irrt, er kann leicht getäuscht werden, er weiß nicht immer, was ihm frommen würde, er ist ungeduldig, nervös, eitel, launenhaft, wetterwendisch." [Mises1940, S. 290-291]
Das wäre dann auch schon alles, was ich zu den Grundbausteinen meines Menschbildes zu sagen hätte, und ich vermute bzw. hoffe niemand erhebt Einsprüche gegen die gemachten Annahmen bzw. Axiome. Der Vollständigkeit halber sollte ich vielleicht noch erwähnen, dass die Menschen verschieden sind in ihren Zielen, ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten3. Aber ich hoffe auch darin errege ich keine Widersprüche.

In was für einer Welt der Mensch nun meiner Meinung nach lebt, beleuchte ich dann im nächsten Post (wenn nicht dieser schon zerrissen wird :-)).



Fußnoten

1) Basierend auf den Schriften der Österreichischen Schule der Nationalökonomie

2) Gibt es Mensch die nicht handeln? Ja. Menschen, die z.B. durch Krankheiten jeglicher Interaktion mit der Welt beraubt sind, die sich nicht einmal mehr durch die kleinste körperliche Regung anderen Menschen mitteilen können. Die ihre Ziele also weder selbst, noch durch die Kommunikation ihrer Wünsche an andere Menschen, erreichen können. Sehe ich diese Menschen nicht als Menschen an, sondern als Objekte mit den entsprechenden Konsequenzen, die geschichtlich Bewanderten bekannt sein müssten?
Natürlich nicht. Sie sind für mich Menschen mit allen sich daraus ergebenden ethischen Implikation, auf die ich später noch eingehen werde (Soviel schon jetzt: z.B. Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit).
Ich bin übrigens auf dieses Thema (aus akademischer Sicht) bereits in meiner "vorökonomischen Phase", als ich mich mit Vegetarismus beschäftigte, gestoßen, bei der Lektüre der sehr interessanten Arbeit von Thorsten Ullrich [Ullrich2000]
Meine Aussage ist also keine Abwertung bestimmter Menschen, sondern eine wissenschaftliche Fokussierung: Wenn die Ökonomie die Lehre vom menschlichen Handeln ist, dann ist ihr Forschungsgebiet der handelnde Mensch.

3) Siehe hierzu z.B. [Dueck2004]!

Literatur

[Dueck20004] Dueck, Gunter; 2004; "Wild Duck"

[Mises1940] von Mises, Ludwig; 1940; "Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirtschaftens"

[Ullrich2000] Ullrich, Thorsten; 2000; "Aufwertung der Tiere = Abwertung behinderter Menschen. Stimmt diese Gleichung?"

Kommentare

  1. Ich würde anzweifeln, dass jeder Mensch zielstrebig handelt. Ich würde sogar behaupten, dass die absolute Masse der Menschen keine Ziele hat, außer vielleicht zu überleben oder irgendwie ohne großen Aufwand durchs Leben zu kommen. Viele Menschen handeln nicht aktiv, sondern reagieren lediglich auf das, was den ganzen Tag passiert. Ich kann dem Satz "jeder Mensch hat Ziele und verfolgt diese durch aktives Eingreifen in die Welt" nicht zustimmen.

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  2. "Zu überleben" und "irgendwie ohne großen Aufwand durchs Leben zu kommen" sind auch Ziele. Auch sich einfach nur treiben zu lassen und zu reagieren ist ein Ziel.

    Der Ökonom wertet die Ziele nicht. Er stellt nicht fest, ob dieses oder jenes Ziel "ein gutes", "ein vernünftiges" oder "ein kluges" Ziel ist.

    Die Welt zu retten, in fünf Jahren eine Familie mit Kindern zu haben oder den mathematischen Satz X zu beweisen, sind ebenso Ziele wie sich gleich noch eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank zu holen, den Fernsehsender zu wechseln oder noch einen Griff in die Chipsschüssel zu tun.

    Auch der Mensch, der nur ruhig liegen will, mit der Absicht nicht zu handeln (um z.B. meine Theorie zu widerlegen), hat das Ziel ("die Absicht") ruhig zu liegen und handelt entsprechend (wobei dies dann nur ein Zwischenziel ist und sein eigentliches Ziel eben die Widerlegung meiner Theorie wäre. Ein Ziel, was er dann leider nicht erreicht hätte :-))

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  3. Einen Fehler muss ich einräumen: Die Aussage von mir, dass Handeln "aktives Eingreifen in die Welt" bedeutet, ist nicht ganz korrekt, da auch die Entscheidung zur Unterlassung Handeln ist - wir dieses Unterlassen jedoch nicht als "aktiv" bezeichnen würden. Dies ändert nichts an meinen anderen Aussagen, hat aber u.U. zu Missverständnissen geführt.

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  4. Mmh, den neuen Post habe ich noch nicht gelesen, aber nach deiner Definition ist "Ziel" ein sehr weiter Begriff. Am Ende gewinnst du nichts dadurch, weil letztendlich alles Ziele sind. Wenn aber jede menschliche Handlung auf einem Ziel basiert, dann brauchst du den Begriff nicht. Du kannst durch diesen nicht differenzieren und damit auch nichts beweisen bzw. widerlegen.

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  5. Ich schrieb ja, dass man statt Ziel auch die Begriffe Zweck, Wunsch, Präferenz oder Absicht benutzen kann.

    Wieso sollte ich nichts aus dieser Aussage gewinnen? Ich gewinne daraus die Erkenntnis, dass der Mensch handelt, also aus einem inneren Antrieb heraus tätig wird; dass er wertet (siehe folgenden Post), dass er also bestimmte Zustände anderen Zuständen vorzieht.

    Ich beiße mich aber nicht an Begriffen fest. Wenn du einen besseren Begriff hast, verwende ich auch diesen.

    Wenn ich dich richtig verstehe, hättest du lieber eine konkretere (eingeschränktere) Definition der Form: "Jeder Mensch hat nur den Wunsch nach Nahrung (Zucker, Mineralstoffe, Wasser, ...) und Wärme (Kleidung, Behausung, ...)." oder "Jeder Mensch tut alles, um sein Überleben zu sichern."

    Aber solche Aussages sind falsch. Warum sollte ich eine Theorie anwenden, die nicht die Wirklichkeit beschreibt?

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  6. Ich frage vielleicht etwas konkreter: Ist das von mir beschriebene Menschenbild falsch? Ist der Mensch anders? Mache ich falsche Voraussetzungen?

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  7. Nach weiteren Nachdenken und -lesen hier vielleicht verständlichere bzw. eher aktzeptierte Begriffe:

    Statt zu sagen "der Mensch hat Ziele und versucht diese zu erreichen", könnte ich auch sagen "der Mensch kann Unbefriedigsein empfinden und versucht dieses zu beheben."

    Ich könnte auch sagen "der Mensch hat Bedürfnisse und versucht diese zu befriedigen." Jedoch nur, wenn man den Begriff "Bedürfnis" wertfrei verwendet.

    Ich möchte also klarstellen (auch um zu zeigen, dass ich auch abgrenze, also was du vielleicht unter "differenzieren" verstehst), dass ich keine Bedrüfnispyramide im Sinn habe, in der ich festlege, welche Bedürfnisse für die Menschen am wichtigsten sind (zu sein haben), welche darauf folgen (sollen) usw.

    Das ist der eigentliche wichtige Punkt (der vielleicht im folgenden Post deutlich wird): Das die Bedürfnisse (Ziele) vom jeweiligen Menschen subjektiv gewertet werden; und dass kein Mensch sagen könnte er wüsste, welches "Ding" (Ziel, Bedürfnis) für alle Menschn nun das wichtigste wäre.

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  8. Nach noch weiteren Nachdenken muss ich dir sagen, dass du einen wichtigen Punkt herausstreichst:

    Das "letztendlich alles Ziele" sein kann, ist der Tatsache Rechnung getragen, dass der Mensch sich nun einmal alles als Ziel erwählen kann; und von nichts weniger darf eine Theorie vom menschlichen Handeln ausgehen.

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  9. Ich sehe schon, worauf das hinausläuft. Belassen wir es bei den Zielen. Du kannst aber schon mal notieren, dass ich Einspruch erheben werde, wenn du unterschlägst, dass wir in einer Gemeinschaft leben müssen, da die Welt zu klein ist, dass jeder Mensch (der das will), autark und abgegrenzt leben kann. Es gibt also nicht nur individuelle Ziele, sondern auch Ziele der Gesellschaft/Gemeinschaft.

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  10. Würdest du dazu keinen Einspruch einlegen, müsste ich es tun :-)

    Ich habe nicht vor zu behaupten, dass das soziale Wesen Mensch kein soziales Wesen sei. Ohne Gemeinschaft wäre er nicht Mensch.

    Ohne Gemeinschaft gäbe es praktisch keine Ökonomie: Ohne Gemeinschaft, keine Arbeitsteilung, kein Vergesellschaftungsgesetz, kein Markt, kein Tauschmittel, keine Sprache, keine Konflikte.

    Auf so viele interessante Themen versuche ich mit diesem Blog zuzusteuern, die mit der Annahme, dass der Mensch kein Gesellschaftswesen sei, nicht relevant wären.

    Was den letzten Punkt angeht:

    Natürlich kann ich Ziele kategorisieren und natürlich kann ich auch eine Kategorie "Gemeinschaftsziele" einführen. Aber egal in welche Kategorie ich ein Ziel auch einordne, wird es immer ein subjektives Ziel eines (oder mehrerer) Menschen sein.

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