In meinem letzten Artikel über die separierenden Sprache habe ich das Argument angeführt, dass es frauenverachtend wäre, zu behaupten, Frauen wären nicht in der Lage vom grammatischen Geschlecht zu abstrahieren, stattdessen dieses mit dem biologischen gleichsetzten und sich deswegen bei grammatisch männlichen Personenbezeichnungen "nicht mitgemeint" füllen würden.
Ich fügte hinzu, dass alle deutschsprechenden Menschen zu dieser Abstraktion in der Lage sind, weswegen ein Mann so wenig ein Problem damit hat, als Koryphäe bezeichnet zu werden, wie eine Frau damit, Engel genannt zu werden.
Viel mehr als der Artikel, das Pronomen oder die Endung, so meine Behauptung, bestimmen unsere Erziehung und unsere Erfahrungen, was wir unter einem Begriff verstehen.
Ich habe diesen letzten Gedanken nun einige Wochen immer wieder hin und her gewellst und möchte ihn hier nun zu einer ziemlich steilen These zuspitzen.
Beginnen wir hierfür mit Pfannkuchen!
Pfannkuchen
Dass dieser Begriff regional für unterschiedliche Speisen verwendet wird, dürfte jedem Deutschen eigentlich bekannt sein. Die einen verstehen darunter ein kugelförmiges Gebäck mit Marmeladen-, bzw. zu Fasching evtl. Senffüllung, der in anderen Regionen u.a. als Berliner bekannt ist. Die anderen stellen sich darunter eine Art Teigfladen vor, den ich z.B. als Eierkuchen kenne.
Würde ich nach dem Grund für diese verschiedenen Definitionen fragen, würde man mir wahrscheinlich kopfschüttelnd erklären: "Na weil man das den jeweiligen Kindern so beigebracht hat. Wenn deine Eltern und deine Umgebung etwas so nennen, dann lernst du das halt so."
Woher weiß ich also, dass ein Pfannkuchen ein kugelförmiges, mit Marmelade gefülltes Gebäck ist? Weil es das war, was ich bekommen habe, wenn ich einen Pfannkuchen wünschte (aber nur mit Zuckerguss. Streuzucker und Puderzucker krümeln zu sehr rum).
Who is who?
Woher weiß ich, was ein Lehrer ist? Das ist die Person, die ich unter dieser Bezeichnung kennengelernt habe, als ich zur Schule ging (oder sogar schon vorher aus dem familiären Umfeld kannte). Nachdem ich da vier Jahre lang nur Frauen erlebt habe, war ich in der weiterführenden Schule schon erstaunt, dass auch Männer Lehrer sein können :-).
Was verstehe ich unter einem Arzt, wenn mich bis zum 18. Lebensjahr nur Frauen behandelt haben? Oder wenn man privat größtenteils weibliche Ärzte kennt?
Welches Bild macht man sich von Arbeitern, Ingenieuren, Wissenschaftlern in einer Gesellschaft, in der Mütter und Väter berufstätig sind? Und nicht nur die eigenen, sondern auch die der Freunde?
Und apropos Freunde: An wen denke ich, wenn ich den Begriff Schüler höre, und ich nicht auf eine reine Jungenschule ging?
Und nun wechseln wir die Perspektive!
Welches Bild von Lehrern, Ärzten, Forschern, Politikern entwickelt jemand, der in einer etwas konservativeren, männlicher geprägten Umgebung aufwächst?
Konsequenzen
Wer von den beiden oben beschriebenen Personen denkt bei Begriffen wie Bäcker, Verkäufer, Mitarbeiter oder Kollegen eher bzw. nur an Männer? Wer von Beiden hat wohl die meisten Schwierigkeiten sich bei diesen Wörtern Frauen vorzustellen? Wer von den Beiden wird glauben, dass diese Wörter Frauen unsichtbar machten? Wer von Beiden braucht eine mentale Unterstützung durch das Hinzufügen von "-innen" Begriffen, um Frauen und Mädchen nicht zu vergessen?
Wer gendert?
Ich behaupte, dass die separierende Sprache die Reaktion von geschlechtspolitisch konservativ eingestellten Menschen, auf die immer zunehmendere Beteiligung der Frauen in Lebensbereichen ist, in denen diese Menschen bisher nur Männer gewohnt waren.
Die einen reagieren darauf durchaus offen, können oder wollen jedoch ihre bisher erlernten Begriffsvorstellungen nicht ändern und müssen deswegen für sich jene Denkhilfen in ihre Texte einfügen.
Für andere ist die separierende Sprache einer Möglichkeit, Frauen, wenn man sie schon nicht mehr tatsächlich aus Männerdomänen heraus halten kann, doch wenigstens sprachlich aus nur Männern zugestandenen Bezeichnungen zu verdrängen. Nur ein Mann könne Arzt sein! Frauen sollen sich nicht so bezeichnen dürfen! "Wenn ich in eine -Arzt-praxis gehe," so der Gedanke, "dann möchte ich dort nicht plötzlich von einer Frau Doktor überrascht werden."
Schluss
Wer gendert ist sexistisch. Er ist nicht sexistisch, weil er gendert. Sondern weil er sexistisch ist, gendert er.
Puh, da bin ich raus. Gendern/nicht gendern, soll Jeder machen wie er denkt! Da kommt so überhaupt keine Emotion bei mir auf. Anderes Thema, ähnlicher Inhalt: Am Anfang der Woche standen eine handvoll Frauen unterschiedlicher Altersdekade mit einem großen Banner auf meinem Arbeitsweg, auf dem sexuelle Belästigung angeprangert wurde. Was ne Zwickmühle, mir lief der Schweiß von der Stirn. Sollte ich hingehen und Interesse zeigen, um klarzustellen, dass ich einer von den "Guten" bin? Anderseits gehe nicht mal zu den Naturschutzinteressensverbänden, die mir jedes Mal suggerieren, dass ich ein Tierhasser bin, weil ich nicht monatlich 10 Euro an sie spenden möchte. Gar nicht anzufangen von den Sozialorganisationen oder Kinderhilfsprojekten, die mich wegen meiner Ablehnung zur Spendenbereitschaft zum asozialen Gringe machen. Also diesmal absolute Überforderung des politisch korrekten Verhaltens um Umgang mit dieser Situation bei mir im Kopf. Peinlich berührt und sexuell stigmatisiert als mitteljunger potentieller männlicher Täter ließ ich die Frauenrechtlerinnen schließlich schnellen Schrittes links liegen.
AntwortenLöschenZum ersten mal lief mir die separierende Sprache vor 20 Jahren, während meines Studiums über den Weg. Auch damals schon gabe es Analysen dagegen. Ein Text mit dem Titel "Alibi-Feminismus" zeigte auch damals schon auf, dass die linguistischen Annahmen der Beführworter falsch sind, und das Theater eigentlich nur dazu dient, Feminismus zu heucheln, weil man ansonsten in Sachen Gleichberechtigung nichts vorzuweisen hat.
AntwortenLöschenSollte mir Recht sein. So erkannte man die Ewiggestrigen gleich an ihrer Sprache und wussen, dass man den Text nicht weiter lesen brauchte. Man musste sich also diese Scheinemazipation nicht antun. Leben und leben lassen.
Leider weisen die Beführworter der separierenden Sprache nicht die gleiche Toleranz auf und machen diese Regelungen zunehmend in Behörden und Firmen zur Vorschrift.
Hochgegangen ist mir der Hut dann im coronabedingten Schullockdown.
Wir sind alle im Stress. Tagsüber Kinderbreugung/Home-Schooling und Morgens und Abens noch Arbeiten. Da hat man nicht ganz soviel Zeit zur Verfügung und versucht Informationen, die es u.a. von den Schulen reichlich gab, schnell aufzunehmen. Man überfliegt die mehrseitigen Ausführungen auf der Suche nach Schlüsselwörtern, die für einen relevant sind. So suchte ich z.B. nach allem im Zusammenhang mit "Schüler". Die Ding die "Lehrer" betrafen ignorierte ich.
Ich versuchte es zumindest. Ich bekam aber Texte vorgelegt in denen von "Lehrenden" und "Lernenden" gesprochen wurde. Informationstheoretisch gesprochen, haben sie den Symbolabstand stark veringert, mit dem Ergebnis von etlichen "Falscherkennungen" meinersteits. Und da ist es in mir zerbrochen.
Nachdem dann auch das älteste Kind Verständnisfragen zu diesen Texten gestellt hat, weil die Eltern eines Mitschülers, für die Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, die organisatorischen Informationen nicht verstanden hatten, schrieb ich das erste mal an die Schule eine kurze Mail, mit der Bitte, diese schwierigen Text nicht noch mehr zu erschweren - auch aus Rücksicht für unsere zugewanderten Mitbitbürger.
(Für mich ist diese separierende Sprache schlicht "rechts". Rückwärtsgewand, frauenverachtend und fremdenfeindlich. Das habe ich in der Mail so aber nicht gesagt).
Kleiner Seitenhieb: Gendern tut die katholische Schule (Direktor: Mann). Die städtische Schule (Direktor: Frau) gendert nicht. Alibi-Feminismus!
Als ich dann auch einige Wochen später in der Firma Dokumente lesen musste, in der die u.a. Mitarbeiter nur noch Mitarbeitende sind, begann ich eine länger und umfangreichere Korrespondenz.
Die Blogeinträge sind Destilate davon.
Ist doch nur eine Kleinigkeit, oder? Warum sich aufregen?
Wann sollte man anfangen?
Hätte ich vielleicht schon vor 20 Jahren anfangen sollen?