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Rezension: "Die Dunkelmänner" von Michael Hesemann

Religion hat in unserer heutigen aufgeklärten Zeit einen schlechten Ruf. Religiös zu sein wird von vielen Menschen in unserer Kultur als ein Makel betrachtet, widerspricht es doch unserem Ideal vom rationalen Menschen, der nur der Wissenschaft huldigt, nichts denkt, was über die Wahrnehmung seiner Sinne hinausgeht und alle anderen Überlegungen als Irrational - weil unwissenschaftlich - abtut.

Neben theoretischen und philosophischen Argumenten wird zur Begründung dieser Einstellung meist auch die Geschichte bemüht und speziell - unserem Kulturkreis entsprechend - die Geschichte der katholischen Kirche.

Sprechen nicht Hexenverfolgung, Inquisition und die Unterdrückung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse eine deutliche Sprache? Zeigen uns nicht selbst populäre Romane und Filme zu Themen wie der Päpsten Johanna oder den Templern, dass die Kirche einigen Dreck am Stecken hat uns vieles noch immer verschweigt und uns Wissen vorenthält?

Solchen Fragen geht Michael Hesemann in seinem Buch "Die Dunkelmänner" nach. In dem er die "Mythen, Lügen und Legenden um die Kirchengeschichte" untersucht und den aufgeklärten Leser mit einigen interessanten Fakten überrascht.

So zum Beispiel, wenn man im Kapitel über den Fall "Galileo Galilei" erfährt, dass im 16. Jahrhundert der Kardinal Bellarmin, der u.a. die römische Inquisition leitete, keinen Grund sah gegen das kopernikanische Weltbild vorzugehen und es "doch sehr wohl eine 'geeignete Konstruktion zur Beschreibung des äußeren Anscheins'" sei. "Ob es wahr wäre, würde die Zukunft zeigen; bis dahin aber sollten die Wissenschaftler ungehindert forschen können."

Galilei wurde nicht verboten das kopernikanische Weltbild zu vertreten und zu lehren, sondern, da die Kirche "einen Gelehrtenkrieg, der den Kirchenfrieden gefährdete, um jeden Preis" vermeiden wollte, wurde ihm empfohlen "seine Anschauungen doch bitte als Hypothese zu formulieren, statt sie als absolute Wahrheit darzustellen […] Für die wissenschaftliche Forschung liefe es auf dasselbe hinaus, aber die Aristoteliker würden sich beruhigen! Sollten irgendwann unwiderlegbare Beweise für das neue Weltbild vorliegen, könne man immer noch daran denken, die Bibel anders als wörtlich auszulegen."

Seine spätere Verurteilung, dem die Veröffentlichung eines Buchs vorausging, erfolgte letztlich nicht aufgrund der von ihm in diesem Buch vertretenen Thesen, sondern wegen der Form in der dies geschah. "Galilei habe sich nicht der Ketzerei schuldig gemacht. Er habe allerdings - und das in schwerwiegender Weise - seine Gehorsamspflicht gegenüber dem Heiligen Stuhl mißachtet, seine eigenen Versprechen gebrochen, den Papst hintergangen."

Neben dieser bietet Hesemanns Buch weitere Zurechtrückungen der geschichtlichen Tatsachen, sei es z.B. zur Inquisition, der Hexenverfolgung, den Kreuzzügen oder auch zum heiligen Gral, Maria Magdalena oder der Beziehung der Kirche zum Nationalsozialismus.

An geschichtlicher Wahrheit interessierten Menschen kann ich dieses Buch nur empfehlen - und sei es auch nur, um auch die andere Seite einmal zu hören. Vielleicht steht man danach ja auch der Religion im Allgemeinen etwas freundlicher gegenüber.

Kommentare

  1. Mmh, woher weiß man nun aber, dass das, was in dem Buch geschrieben wurde, tatsächlich die Wahrheit ist? Es könnte doch auch sein, dass das Buch von der vatikanischen Propagandaabteilung in Auftrag gegeben wurde :-)

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  2. Woher weiß man, dass das, was man in der Schule lernt, oder in den Medien liest/hört/sieht die Wahrheit ist? Es könnte doch auch sein, dass das alles von ... in Auftrag gegeben wurde? :-)

    Ich denke mal, dass - erstens - das Kennen einer anderen Darstellung schon einmal nicht von Nachteil ist.

    Zweitens habe ich bei einer oberflächlichen Recherche (Amazon, Google, Wikipedia :-)) bis jetzt noch keine Replik gefunden. Wenn jemand eine kennt, bitte hier eintragen.

    Drittens: Zumindest einige Tatsachen seiner Darstellung der Hexenverfolgung (der Vatikan interveniert, um Kinder, die vor einem weltlichen Gericht der Hexerei angeklagt sind, zu retten) wurden letztens ebenso in einer ZDF Doku präsentiert.

    Viertens: Zeitmaschine

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