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Dienst am Staat schadet der Gemeinschaft

Mit seinem letzten Beitrag hat Steinchen mir ja geradezu den Fehdehandschuh hingeworfen :-). Er macht den Vorschlag, den bestehenden staatlichen Arbeitszwang nicht abzuschaffen, sondern ihn nur von seiner militärischen Komponente zu befreien.

Mit diesem Vorschlag (wie mit vielen anderen auch) kann man sich auf zwei Arten auseinandersetzen.

Zum einen ethisch: Wie ist der Vorschlag nach allgemein anerkannten ethischen Prinzipien zu bewerten? Hier müssen jedoch zuerst diese allgemein anerkannten (wenigstens unter den beiden Diskutanten) Prinzipien gefunden werden.

Zum anderen kann der Vorschlag ökonomisch untersucht werden. Hier lautet zunächst die Frage, welche subjektiven Ziele nach Ansicht des Autors mit der vorgeschlagenen Maßnahme erreicht werden sollen. Darauf aufbauend kann dann untersucht werden, ob das vorgeschlagene Mittel geeignet ist, diese Ziele zu erreichen.

Beide Wege bieten genug Stoff um etliche Blogeinträge zu füllen und die eine oder andere wissenschaftliche Arbeit auf die Beine zu stellen. Dafür kann man auch schon auf genügend Vorarbeiten aufbauen. Ich begnüge mich jedoch einfach nur mit einigen ökonomischen Überlegungen und möchte dabei auch gar nicht den Anschein von Wissenschaftlichkeit erwecken. Die folgenden Thesen sind also ungeprüft und unbewiesen, stehen aber der Falsifizierung offen :-).

Beginnen wir mit der Frage, welches gewünschte Ziel mit dem Zwangsdienst erreicht werden soll? Steinchen gibt hier an, dass Tätigkeiten durchgeführt werden sollen, die "der Gesellschaft als Gemeinschaft" dienen. Weiter glaubt er, dass "ein derart gestalteter Dienst [...] das Zusammengehörigkeitsgefühl dieser Gesellschaft stärken und gleichzeitig auf Akzeptanz stoßen" könne. Der Dienst solle außerdem der "heutigen Separation der Schichten entgegen" wirken und biete "auch die Chance einen Einblick in ein Berufsfeld zu bekommen, bevor man eine Lehre oder ein Studium aufnimmt."

Können diese Ziele durch eine allgemeine Dienstpflicht erreicht werden?

Wer im Rahmen des Pflichtdienstes beschäftigt ist, steht nicht für andere Tätigkeiten zur Verfügung. Diese anderen Tätigkeiten sind für die Gemeinschaft jedoch wesentlich nützlicher als die Pflichtdiensttätigkeit. Wäre dem nicht so, wäre die Gemeinschaft bereit (meinetwegen in Form des Staates) für diese Tätigkeit einen solchen Betrag zu zahlen, dass sich genug Freiwillige finden würden, diese Tätigkeit gegenüber schlechter bezahlten (und damit als weniger nützlicheren demonstrierten) Beschäftigungen vorzuziehen. Der Gesellschaft werden also Arbeitskräfte aus für sie wichtigen Bereichen entzogen und in für sie unwichtigere verlagert. Ein Verlust für die Gemeinschaft.

Ebenso trägt der Dienstverpflichtete (der ja auch Teil der Gemeinschaft ist) einen Schaden davon, da er ohne den Zwangsdienst in einer für ihn bevorzugteren Situation (nicht nur finanziell, sondern auch wohnortsbezogen, sozial und familienplanerisch) wäre.

Auch die in diesem Bereich regulär Beschäftigten erleiden Einbußen, da sie durch den Pflichtdienst eine lohndrückende, staatlich subventionierte, billige Konkurrenz bekommen (wie die Pflegeberufe durch den Zivildienst heute leider schon).

Dem sozialen Engagement dürfte der Pflichtdienst ebenfalls abträglich sein. Je mehr sich der Staat auf die Fahnen schreibt, sich um die Schwachen, die Hilfsbedürftigen, die Umwelt zu kümmern, umso mehr macht sich in der Bevölkerung eine Gleichgültigkeit und Verantwortungslosigkeit gegenüber den anderen breit. Zum einen fragen sich immer mehr, warum man sich selbst denn um andere kümmern solle, denn dafür gäbe es doch den Staat. Zum anderen nimmt die freiwillige Hilfe schlicht deswegen ab, weil der Staat, um den Zwangsdienst (oder andere "Sozialleistungen") zu finanzieren, diese Mittel (eben auch die Arbeitskraft und -zeit) erst der Gemeinschaft entwenden muss und diese dieser dann nicht mehr für freiwilliges Engagement zur Verfügung stehen.

Auch wirkt der Zwangsdienst für jede weitere gemeinnützige (also freiwillige :-)) Tätigkeit abschreckend. Da die Dienstverpflichteten ja nicht die Wahl haben zu gehen wenn es ihnen nicht gefällt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie von den sie einsetzenden Institutionen eher schlecht behandelt und ausgebeutet werden. Zurück bleiben nach Ende des Dienstes oft genug Wut, Frust und Resignation. Den Institutionen kann's egal sein. Die bekommen ja mit dem nächsten Jahrgang wieder neue Dienstverpflichtete, die außerdem ein wunderschönes Druckmittel für die regulär Beschäftigten sind (siehe oben!).

Wie kann der Pflichtdienst der Separation der Schichten entgegenwirken? Welchen Nutzen haben die untersten Schichten, dass sie 10 Monate mit Personen aus anderen Schichten zwangsverbunden werden?*
Nach diesen 10 Monaten geht man wieder auseinander, ohne wieder etwas voneinander zu hören. Wer dennoch Kontakte knüpft, der hätte dies auch ebenso in Sportvereinen, beim Fußballspiel oder bei Campingausflügen getan – ohne Zwang.
Am ehesten wäre den untersten Schichten geholfen, wenn man Hindernisse beseitigt, die ihren Aufstieg im Wege stehen - wie z.B. Pflichtdienste, die ihren Berufsstart verzögern oder ständig unterbrechen.

Dem Argument des Einblicks in ein Berufsfeld stehe ich etwas ratlos gegenüber? Gibt es denn kein Praktikum mehr? Ich dachte die "Generation Praktikum" wird allenthalben beklagt, weil die nichts anderes zu tun bekommt als Praktika. An Einblicken in Berufsfelder scheint es also nicht zu mangeln. Ok, das war zynisch, aber welchen gesellschaftlichen Nutzen sollen in diesem Umfeld Zwangspraktika bringen?

Fassen wir zusammen: Meinen Thesen nach ist der Pflichtdienst eine Fehlallokation von Mitteln (Arbeitskraft, Finanzen), verzehrt den Arbeitsmarkt und vermindert die Qualität der Leistungen. Dies fügt der Gesellschaft einen ökonomischen Schaden zu und verringert ihren Wohlstand. Die Zwangssolidarität führt zu einem Abstumpfen gegenüber den Schwachen und hemmt das freiwillige soziale Engagement. Aus meiner Sicht, ist die Dienstpflicht nicht nur nicht geeignet die gewünschten Ziele zu erreichen sondern ist ihnen sogar abträglich.




* Welche Form nimmt eigentlich eine Persönlichkeit an, die beginnend mit der Einschulung (bald auch Kindergarten) bis zur Volljährigkeit zwangssozialisiert wird? Ist das ein Verfahren an dessen Ende mündige, selbstständige und verantwortungsvolle Bürger stehen sollen? Wieso wird, wenn wieder ein deutscher Schüler in seiner Bildungseinrichtung Amok läuft, bedeutungsvoll darauf verwiesen, dass er "Killerspiele" auf seinem Rechner hatte, aber niemals erwähnt dass alle diese Schüler von einer Institution sozialisiert wurden, die den Kindern von Anfang an beibringt, dass Gewalt ein legitimes Mittel zur Erreichung von Zielen ist? Weit hergeholt? Zumindest nicht weiter als der Zusammenhang mit First-Person-Shootern.

Kommentare

  1. Ich hätte es ja wissen müssen...

    Mehrere Denkfehler: Dem Arbeitsmarkt werden keine Arbeitskräfte entzogen. Da jeder den Dienst leisten muss, verschiebt sich das Eintrittsalter in das Berufsleben lediglich um ein Jahr. Das mag bei den ersten Jahrgängen auffallen, die den Dienst leisten müssen, aber langfristig kann man das vernachlässigen.

    Eine einzelne Maßnahme wie ein Pflichtdienst kann nicht alle Probleme lösen. Sie wird sicher nicht das Allheilmittel sein, um einer Separation der Schichten entgegen zu wirken. Sie unterstützt lediglich eine Lösung in diesem Bereich. Natürlich kann man jede Komponente einer Lösung in Frage stellen, aber irgendwann hat man keine Lösung mehr, weil alle Komponenten fehlen.

    Es geht nicht darum, soziale Leistungen durch Pflichtdienstleistende zu ersetzen, sondern zu ergänzen. Wenn in einem Altenheim bei 20 professionellen Pflegekräften ein Pflichtdienstleistender unterstützt, dann wird auch klar, dass hier garantiert keine Verdrängung von Arbeit stattfindet. Fakt ist, egal ob wir das makroökonomisch gut finden oder nicht, es gibt Tätigkeiten, die wir über ein normales Beschäftigungsverhältnis nicht leisten können, da uns schlicht die Mittel fehlen.

    Ein allgemeiner Pflichtdienst muss nicht zu Frust führen, wenn er entsprechend gestaltet ist. Meine Idee ist ja gerade, dass man den Dienst sehr unterschiedlich leisten kann, damit es in die eigene Lebensplanung passt. Will jemand zum Beispiel schnell selbst Geld verdienen und unabhängig sein, dann macht er erst mal nur eine kurze Grundausbildung (etwa in den Sommerferien) und leistet den Dienst dann in mehreren Stücken, wenn beim Staat Bedarf für die Leistung besteht (etwa bei einer Katastrophe). Ökonomisch ist es auch sinnvoller solche Kräfte bei Bedarf aktivieren zu können anstatt sie immer vorhalten zu müssen.

    Ansonsten, "Auch wirkt der Zwangsdienst für jede weitere gemeinnützige ... Tätigkeit abschreckend." ist lediglich deine Meinung, aber du kannst dies mit Sicherheit nicht empirisch belegen.

    Wie dem auch sei. Wir haben grundsätzlich verschiedene Vorstellungen vom Zusammenleben der Menschen, von Gemeinschaft, etc. Ich glaube, wir können uns ewig kluge Worte an den Kopf werfen, aber auf einen gemeinsamen Punkt kommen wir nicht. Deine Argumente überzeugen mich nicht, da sie theoretisch sind und nur auf die Rechte des Individuums abzielen. Ich bleibe dabei, dass man die Probleme dieser Welt nicht lösen kann, wenn man weiterhin auf Gewinnmaximierung von mehr als 6 Milliarden Individuen setzt.

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  2. Achherje, Martin, es gibt da auch Menschen und nicht nur verteilbare Arbeitskräfte.

    Ich bevorzuge Steinchens Ansatz aus mehreren Gründen.

    Der Dienstleister bekommt Aufgabenfelder zu Gesicht, auf die ihn familiär leider noch keiner Aufmerksam gemacht hat. Und mit 16 Jahren hat man nur im seltensten Fall seinen eigenen Weg und sein eigenes Weltbild gefunden.

    Es mag zwar ein staatlich gefördertes Praktikum sein; ja, mit schlechter Bezahlung. Es ist damit aber auch eine garantierte erste Berufserfahrung. Es gibt eine Umgebung, in der man sowohl fachlich als auch sozial etwas lernt.

    Mit der Ausbeutung ist es so eine Sache. Das hängt von der Dienststelle und dem Dienstleister ab. Meine Zivistelle hatte auch ein faszinierendes Machtgeflecht, das dazu führte, das der jeweilige Zivi statt für den Verein auch für das Restaurant auf dem Gelände tätig war. Bei Problemen gab es aber auch das Ziviamt, bei denen man anrufen konnte. Es gab sowohl Rat als auch tatkräftige Unterstützung, bei der das Amt sich mit dem Verein in Verbindung setzte und sich für mich als Zivi einsetzte.

    Klar "bindet" einen so einen Dienst ein Jahr. Dafür wird man erst ein Jahr später zum Hochspezialisierten und hat ein Jahr mehr fachübergreifendes Wissen. Das finde ich sehr gut, wissen doch mit dem Ende der Schule nur die wenigsten, in welchem Gebiet ihre persönliche Berufung liegt.

    In diesem Sinne, (Themawechsel) bin ich auch dafür in Hochschulen die ersten zwei Semester vollständig zum Studium Generale zu machen, ohne das eine Spezialisierung erfordert wird. Erst anschließend wählt man seine Richtung.
    Die Zahl der Studienabbrecher würde sich stark verringern.

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  3. Hallo Matthias,

    ich bin ja der (anscheinend alleinstehenden) Ansicht, dass jeder Mensch mit gewissen Rechten ausgestattet ist - nur aufgrund seines Menschseins und nicht aufgrund bestimmter Positionen, Besitztümer, Urkunden usw.

    Eine Konsequenz aus diesen Rechten ist, dass kein Mensch Mittel eines anderen Menschen sein darf. Ein Mensch ist ein Mensch und keine Maschine oder ein Sklave über den man verfügen kann wie über sein Eigentum und der eben nur als Werkzeug gesehen wird zur Erreichung eigener Ziele.

    Möchte ich von den Leistungen und Fähigkeiten eines Anderen profitieren, dann muss ich in fragen - bitten - das er mir hilf und mit mir zusammenarbeitet. Er hat die Wahl ja oder nein zu sagen, ohne befürchten zu müssen, bei einer ablehnenden Entscheidung mit physischer Gewalt konfrontiert zu werden.

    So jedenfalls, glaube ich, begegnet man Menschen, wenn man die Meinung teilt, dass diese nicht Mittel zur Erreichung irgend eines Zwecks (mit welchen Worten auch immer man diesen Zweck schmücken mag: "höheres Ziel", "gesellschaftliches Wohl", o.Ä.) sind.

    Das sind jedoch ethische Überlegungen und die wollte ich vorerst aus der Betrachtung heraushalten (aus dem oben angeführten Gründen). Als du nun aber schriebst, dass Menschen "nicht nur verteilbare Arbeitskräfte" sind, dachte ich schon, du wärest der gleichen Ansicht.

    Scheinbar ist meine Fähigkeit zum logischen Schließen jedoch stark eingeschränkt. Denn wie kannst du aufbauend auf der Annahme, dass Menschen "nicht nur verteilbare Arbeitskräfte" sind, widerspruchsfrei eine Institution rechtfertigen, die Menschen gegen ihren Willen, im Rahmen einer zentralplanerischen Bürokratie auf verschiedene Arbeitstätigkeiten verteilt. Die Menschen als Mittel zur Erreichung "gesellschaftlicher" (oder anderer) Ziele sieht?

    Mit jemanden, der der Meinung ist, dass die Mehrheit der Menschen dummen Schafen ähneln, die nicht selbst für sich entscheiden können und die deswegen von wenigen auserwählten Hirten geführt werden müssen - u.a. eben durch solch einen Pflichtdienst - mag ich nicht übereinstimmen, aber zumindest ist seine Argumentation konsistent.

    Aber wie schon geschrieben: Denkfehler wieder bei mir.

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  4. Bissig. Sarkastisch. Kontraproduktiv.
    Wir sehen uns am Wochenende.

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  5. Martin, gute Frage, warum 2 Leute bei der gleichen Grundannahme zu völlig verschiedenen Ergebnissen kommen. Meine Vermutung ist, dass du davon ausgehst, dass jeder Mensch immer seinen Willen kennt und diesen umsetzen will. Matthias hingegen (und ich auch) geht davon aus, dass der Mensch manchmal zu meinem Glück gedrängt werden muss.

    Der Wille eines Menschen ist keine fixe Größe, sondern unterliegt Veränderungen. Veränderung wird durch Erfahrung hervorgerufen. Erzwungene Erfahrungen können sowohl negativ sein (warum nochmal musste ich 12 Jahre lang was übers deutsche Volkslied lernen?) als auch positiv (meine Mutter hat mich gezwungen Fahrradfahren zu lernen, heute liebe ich es).

    Die Frage ist, ab wann der Mensch für seinen Willen verantwortlich ist? Das deutsche Recht sagt ab 18, macht aber Einschränkungen, etwa mit Jugendstrafen trotz Volljährigkeit. Leider müssen schon vor dem 18. Lebensjahr viele Entscheidungen für den Menschen getroffen werden, etwa Schulausbildung. Die Frage ist, wer für den Menschen solange entscheiden soll? Sind es die Eltern (du bildest dein Kind selbst aus und schickst es nicht auf eine Schule) oder soll der Staat die Entscheidung fällen (Schulpflicht, aber man kann immerhin zwischen Alternativen wie Montesori & Co. Schulen wählen)?

    Heutzutage werden in den meisten Fällen die Entscheidungen zentral festgelegt. Im Einzelfall wäre es sicher besser, wenn einzelne Kinder von ihren Eltern ausgebildet werden, aber in den meisten Fällen würden Eltern mit dieser Entscheidung überfordert sein oder sie würden die falsche Entscheidung treffen gegen das Wohl ihres Kindes. Um massive Auswüchse zu verhindern, gibt es also zentrale Festlegungen, die auf Basis jahrelanger Erfahrungen basieren.

    Ich glaube, die Kunst eines modernen Staates besteht letztendlich darin, diese zentralen Festlegungen immer wieder zu hinterfragen und bei Bedarf zu ändern. Man könnte etwa fragen, ob es heute nicht viel mehr Bildungsformen geben sollte, als das aktuelle Schulsystem? Andererseits glaube ich, der individuelle Schaden (und damit zurück zum ursprünglichen Thema) eines verpflichtenden Dienstes ist nicht groß und es überwiegen die Vorteile sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft. Klar ist natürlich, dass man hier unendlich lang streiten kann :-)

    Gruß,


    Sebastian

    PS: Ich möchte mich übrigens entschuldigen, falls ich dich geärgert oder provoziert habe. Deine Beiträge lesen sich leider oft sehr kalt bzw. technokratisch, was mich zu massiven Gegenreaktionen veranlasst.

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  6. Übrigens, geiler freudscher Versprecher gleich im ersten Absatz meines Kommentars:

    > dass der Mensch manchmal zu meinem Glück gedrängt werden muss

    >--- zu SEINEM Glück

    :-)

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  7. Hallo Steinchen,

    ich stimme deiner Annahme zu, wenn ich sie korrekt verstanden habe, nämlich dass der Mensch fehlbar ist.

    Ich ziehe daraus den Schluss, dass ein solch fehlbarer Menschen, der eben schon Fehler innerhalb seines eigenen, noch überschaubaren Lebens begeht, kaum in der Lage ist mit weniger Fehlern in die millionenfach verschiedenen Leben anderer hineinzuregieren.

    Formaler: Die potentiell fehlerhaften Entscheidungen müssen so dezentral wie möglich im System getroffen werden, damit bei Eintreten eines Fehlers nicht das gesamte System betroffen ist und die nicht von Fehlen betroffenen Bestandteile die Fehler der betroffenen kompensieren können. Auch ist die Lernfähigkeit eines dezentrales Systems höher (da mehrere kleine Experimente parallel, als ein großes für alle).

    Daraus würde ich auch mein Kompromissvorschlag ableiten. Ich bin Lösungen auf Länderebenen aufgeschlossener als Lösungen auf Bundesebenen und kommunalen Lösungen wiederum aufgeschlossener als jenen auf Länderebene.

    Wenn du dafür eintrittst, dass die Kommunen die Möglichkeit haben sollen einen Pflichtdienst einzuführen, wenn sie wollen, werde ich dir nicht widersprechen. Auf diese Weise können Erfahrungen gesammelt werden und es gibt Alternativen zum vergleichen (und ausweichen). Fahren die einführenden Kommunen gut damit, wird es schnell weitere Nachahmer geben. Sind die Ergebnisse schlecht, ist eine Abschaffung schneller wieder möglich und wir können glücklich sein, dass wir nicht die ganze Nation hineingerissen haben.

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  8. Du möchtest ein US-amerikanisches System übernehmen, oder? Mit starken autarken Kommunen und einem Staatenbund, der nur für die Repräsentation nach da ist?

    Absatz 1&2. Ja, Menschen sind durchaus fehlbar. Aber siehe Absatz 3 auch lernfähig. Damit ist ein "hineinregieren" durchaus möglich, da sich eine Bundesregierung eine Beratergruppe leisten kann, was nicht jeder Kommune möglich ist. Es gäbe bei mehr Lokalpolitik zwar auch auf lokale Verhältnisse maßgeschneiderte Lösungen. Manchmal wäre es aber auch einfach doof, weil kein Profi vor Ort ist.

    Auf kommunaler Ebene wäre dieser Dienst durchaus interessant und würde eine regional unterschiedliche Entwicklung hervorrufen. Ob diese noch stärker regional ausgerpägten Standorteigenschaften in einer der Globalisierung näher kommenden Welt wirklich gut sind, weiß ich nicht, bietet doch jede Kommune dann andere Förderkonditionen an. Auch wäre es einem Dienstleister wohl in der Umsetzung dann nicht möglich, zu wählen wo er seinen Dienst ableistet. Die Recherchearbeit, welche Stadt nun in Kooperation zu seiner eigenen steht, welche Dienstsysteme kompatibel sind und welche nicht, würde für die Dienstleister allerhand Frust hervorrufen. Das wäre nicht gerade effizienzsteigernd.
    Kommunen dagegen könnten im Katastrophenfall auf wesentlich weniger Dienstleister zurückgreifen. da ohne gemeinsame Standards ein Gutschreiben von Arbeitsstunden von einer Stadt zur nächsten nicht möglich ist. Wenn es wiederrum gemeinsame Standards gäbe, wären es nicht mehr die lokalen Experimente, die du möchtest.

    Bei der Umsetzung dürfte es auf Länderebene momentan am besten funktionieren, da dort die Infrastruktur vorhanden ist. Soweit ich mich entsinne sind die Ziviämter auch auf Landesebene angesiedelt und könnten entsprechend umgeformt werden.

    Würden wir es auf kommunaler Ebene einführen, würden wir es wieder abschaffen und glücklich sein nicht die ganze Nation hineingerissen zu haben. Hätten wir es aber auf Bundesebene eingeführt, hätten Synergieeffekte zum Erfolg führen können.

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  9. Ja, ich schrieb, dass die Menschen lernfähig sind, unterstellte dafür jedoch bestimmter Bedingung. Z.B. Pluralismus, also das Vorhandensein mehrerer Alternativen zur Auswahl und Bewertung. Die Probleme zentraler Lösungsumsetzungen sehen wir ja heute: Wir befinden uns in einem bestimmten Zustand, wissen aber nicht, welche anderen Lösungsmöglichkeiten es alles gibt und auch nicht wie die jetzige Lösung im Vergleich zu alternativen Lösungen zu bewerten ist.

    Was die Effizient angeht ist zu klären, ob die Vorteile, die durch eine Skalierung hervorgerufen werden, die Nachteile, die dieselbe Skalierung mit sich bringt, überwiegen.

    Setzen wir eine große Lösung um, werden wir nicht wissen, ob kleiner Lösungen besser gewesen wären.

    Geben wir den Kommunen die Möglichkeit sich selbst zu organisieren, werden solange Zusammenschlüsse erfolgen (im Rahmen der Dienstpflicht), bis jene kritische Größe erreicht ist, bei der sich ein weiteres Wachstum effizienzmindernd auswirken würde (ich habe nichts gegen Kartelle, solange sie nicht staatlich festgeschrieben oder gefördert werden).

    Ist eine bundesweite Lösung besser als mehrere kleinere Umsetzungen, wird es zu einer solchen kommen. Wenn nicht, wird es mehrere (wie viele? Keine Ahnung) kleinere geben.

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  10. Es gibt da draußen noch weitere Staaten die auch als Beispiel dienen können. Wenn noch nicht in diesem Fall, dann werden andere EU Staaten von unserem Versuch profitieren, wie auch immer er endet.

    Ansonsten: Stimmt. Wir wissen es nicht. Keine Ahnung wie die Systeme skalieren und was passieren würde, würde man einen anderen Weg wählen.

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  11. Und weil wir das Ergebnis nicht kennen und weil es um Menscheleben geht, mit denen man nicht spielen sollte, sollten wir vor der Anwendung von Zwang mit unbekannten Ausgang zurückschrecken.

    Und wenn man dennoch meint, dass Gewaltanwendung und -androhung unbedingt nötig sind, dann doch bitte erst im Kleinen ausprobieren.

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