Was mich inzwischen echt auf die Palme bringt, ist, wenn mir in journalistische Beiträgen freifliegende Zahlen vor den Latz geknallt werden, ohne eine Bezugsgrößen zu erwähnen. Da könnte ich jedesmal ins Lenkrad beißen.
Ich möchte dies an zwei Beispielen veranschaulichen.
Teure Zahnspangen
Am 6. Januar brachte der Deutschlandfunk die Meldung, dass die gesetzlichen Krankenkassen auf belastbare Studien dringen, "um die aufgeworfenen Fragen nach dem Nutzen von Zahnspangen und kieferorthopädischen Maßnahmen zu klären."Eine Meldung, die mich jetzt nicht sonderlich bewegt hätte, bis folgende Aussage kam:
Eine Sprecherin des GKV-Spitzenverbands sagte der „Welt am Sonntag“, solche Behandlungen kosteten die Beitragszahler jedes Jahr rund eine Milliarde Euro.
Was soll ich bitte schön mit dieser Information anfangen? Welche Absicht steckt dahinter, wenn man mir so eine Zahl hin wirft?
Was würde unser Kind bezwecken, wenn es aus der Schule käme und uns sagen würde "Ich habe heute den Test zurückbekommen und 10 Punkte erreicht." - "Gut zu wissen, aber wie viele Punkte gab es denn insgesamt?" - "Ähh... ich muss Hausaufgaben machen. Bis später..." Ja, genau das.
Ich könnte die Zahl wesentlich besser einordnen, wenn man mir die jährlichen Gesamtausgabe mitteilen würde. Da die Verantwortlichen da leider nicht ihrem Informationsauftrag nachkommen, darf ich das nun selbst erledigen:
Laut einer Broschüre des Gesundheitsministeriums betrugen die Ausgaben der GKV im Jahr 2017, 230 Milliarden Euro (S. 134). Die erwähnte eine Milliarde Euro entspricht also knapp einen halben Prozent der Gesamtausgaben.
Zur Klarstellung: Dass die Krankenkassen nur Behandlungen finanzieren, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist, halte ich für richtig. Mir ging es bei dem Beispiel um die journalistische Methode, nicht um das Thema.
Überarbeitete Polizei
In einer Deutschlandfunkmeldung vom 7. Januar heißt es:Die Polizisten in Deutschland haben im vergangenen Jahr schätzungsweise 22 Millionen Überstunden vor sich hergeschoben.
Über wie viele Beamte sprechen wir hier? Fünfzigtausend? Eine Million? Welchen Nutzen soll diese aufsummierte Zahl für mich haben?
Ich werde die Anzahl der Polizisten jetzt nicht recherchieren, da dies die Aufgabe der Journalisten wäre. Die Aussage meines Textes dürfte auch so klar geworden sein.
Die Verwendung von bezugslosen Zahlen, in teilweise unvorstellbaren Größenordnungen, lässt bei mir immer die Befürchtung aufkommen, dass man mich anscheinend nicht informieren, sondern manipulieren will.
Ich stimme dir völlig zu.
AntwortenLöschenDie Broschüre sagt auch das die GKV einen Gewinn von 1,x Milliarden Euro machen. An dem Punkt zu sparen wäre für Haus attraktiv. Für mich klingt das jetzt nach einer Pressemeldung der GKV die einfach so weiter gegeben wurde, ohne die Informationen zu prüfen. Der DLF hätte diese Meldung, hinter der eine Absicht steht, objektivieren können. Haben sie aber nicht.
Beim Glühbirnenverbot war es auch so. Milliarden Kilowattstunden verpulvert, nur in Wärme umgesetzt. Und insgesamt macht die Beleuchtung doch weniger als 1% des Energiehaushalts aus. Dämmung hätte mehr gebracht.